Am 25. Februar, am Tag nach dem Einfall der Russen in der Ukraine, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht." Das mag das Gefühl vieler getroffen haben. Aber trifft es auch zu? „Ja“, sagte der renommierte Journalist und Politikexperte Claus Kleber, „er ist ein Wendepunkt, der die Zeit in eine Zeit davor und eine Zeit danach teilt. Umstürzendes ist passiert.“ Der brutale und völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine sei nicht nur eine große humanitäre Katastrophe, sondern markiere einen radikalen Bruch mit der europäischen Friedensordnung nach dem Ende des Kalten Krieges, wie wir sie im Westen lange als selbstverständlich vorausgesetzt hatten. Die Zeit nach dem Ende des 2. Weltkrieges sei der friedlichste Abschnitt in der Menschheitsgeschichte, konstatierte Kleber, „es waren goldene Jahre einer unipolaren Welt, die heute zu Ende geht“. Für Wladimir Putin war, nach eigener Auskunft, der Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 aber die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts. „Diese Philosophie ist, retrospektiv betrachtet, die Keimzelle für das, was heute passiert“, so Kleber.
Wie konnte es so weit kommen? Gab es frühere Anzeichen für diesen Angriffskrieg und hätte dieser gar verhindert werden können? „Ich bin kein bewährter Prophet“, sagte Kleber, „eher ein milder Richter.“ Spätestens mit der nebulösen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 hätten die EU-Staaten und die NATO aufwachen und reagieren müssen, stattdessen folgten die laschesten Sanktionen in der Geschichte der Europäischen Union. Zweifelsohne war dies für Putin ein Ermutigungssignal, die Ukraine mit unwahren Vorwänden anzugreifen mit dem perfiden Plan, auch sie gewaltsam Russland einzuverleiben. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, so Kleber, war: „ein mutiger und unbeugsamer ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj, der nicht die Flucht antrat, sondern die ukrainische Bevölkerung zur Verteidigung des Landes mobilisieren konnte.“ Der Krieg hat zudem eine völlig neue Entschlossenheit und Einigkeit der westlichen Demokratien und ihrer Alliierten gegen den Aggressor sowie eine massive Aufrüstung und Unterstützung der Ukraine auf den Weg gebracht. Wie weit diese Unterstützung im Rahmen des NATO-Vertrages gehen kann, ohne zur Kriegspartei zu werden, ist heute Gegenstand einer heftigen öffentlichen Debatte.
Was Kleber zurzeit aber am meisten Sorgen bereite und eine große Gefahr für den Frieden darstellt, ist die systematische Verunsicherung der Öffentlichkeit, der sich totalitäre Regime gerne bedienen sowie der Zerfall des demokratischen Modells, besonders in den USA.
Trotzdem sollten wir weiter positiv in die Zukunft blicken. Womöglich kommen neue politische Kräfte an die Macht, vielleicht müsse auch Putin am Ende einsehen, dass er sich verkalkuliert und die NATO weiter gestärkt hat. „Wir leben an der Schwelle zu einem guten Zeitalter mit einem neuen Bewusstsein, die Schöpfung zu bewahren. Es gibt Fortschritte in der Technik, in der Medizin und im Umweltschutz wie nie zuvor. Vieles bricht sich gerade Bahn, um eine neue Welt zu schaffen, die noch lebenswerter ist als die heutige“, resümierte Kleber. Dafür lohne es sich, Wege aus den aktuellen Krisen zu finden.
Auf das Thema Inflation ging Stefan Riße, Kapitalmarktstratege der Vermögensverwaltungsgesellschaft ACATIS Investment ein. „Eine hohe Inflationsrate von über 7 Prozent ist nicht vorübergehend, wie uns die Zentralbanken lange Zeit weismachen wollten. Sie wird uns noch länger begleiten“, warnte der Börsenexperte. Inflationstreiber sind laut Riße die überdimensionierten Corona-Hilfsprogramme, die unterbrochene Produktion bei gestörten globalen Lieferketten, die aufgestaute Nachfrage mit verringertem Angebot, Lohninflation und demographischer Wandel. Dazu kommt der Krieg in der Ukraine, der eine handfeste Energiekrise mit weiteren Preisanstiegen für Öl, Gas, Strom und Rohstoffen bewirkt hat.
Wie sollten Anleger in diesem Umfeld reagieren? „Gerade jetzt ist es wichtiger als je zuvor, in Sachwerte wie Aktien zu investieren“, betonte Riße. Denn eine hohe Inflation verringert die Kaufkraft und frisst in Kombination mit dem niedrigen Zinsumfeld die Ersparnisse auf. Die Crux dabei: Die Europäische Zentralbank kann die hohe Inflation derzeit kaum einbremsen, denn sie muss die Wirtschaft weiter mit billigem Geld am Laufen halten. Zinserhöhungen sind nur in homöopathischen Dosen zu erwarten, denn zu schnelle und drastische Zinsschritte würden viele der inzwischen hoch verschuldeten Unternehmen und Staaten in eine Pleitewelle rutschen lassen und eine starke Rezession mit Massenarbeitslosigkeit verursachen. Rißes Fazit: Aktien sind derzeit die einzig verbliebene rentierliche und gleichzeitig liquide Kapitalanlage und damit weiter alternativlos. Anleger sollten jedoch nicht kurzfristig auf irgendwelche Trends aufspringen, sondern langfristig in wertschaffende Unternehmen investieren.