Wirtschaftlicher Rückgang: Ab wann spricht man von einer Rezession?
Eine Abschwächung wirtschaftlicher Aktivitäten eines Landes kann auf eine drohende Rezession hinweisen. Doch woran misst man, dass der Ernstfall tatsächlich eingetreten ist?
Was versteht man unter einer Rezession?
Ob die Wirtschaft eines Landes wächst, stagniert oder zurückgeht lässt sich anhand von Konjunkturdaten, allen voran dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), relativ einfach feststellen. Doch wann spricht man tatsächlich von einer Rezession? Um diese Frage zu beantworten, sollte zuerst geklärt werden, was der Begriff genau beschreibt. Unter einer Rezession versteht man laut dem Gabler Wirtschaftslexikon eine Phase des Konjunkturzyklus, in der es zu einer leichten Abschwächung von wirtschaftlichen Aktivitäten kommt, die mindestens in einigen Bereichen einer Volkswirtschaft erkennbar ist, wenn nicht sogar in allen. Im Gegensatz zu einer Depression, die in den 1930er Jahren in den USA etwa durch den "Schwarzen Donnerstag" an der Wall Street ausgelöst wurde und zur Weltwirtschaftskrise führte, hält sich der Abschwung bei einer Rezession aber in Grenzen.
Faustregel: zwei negative Quartale hintereinander
Woran merkt man aber, ob eine Rezession bereits in vollem Gange ist? "Mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartalen haben wir es per Definition mit einer technischen Rezession zu tun", erklärt KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib. Demnach entsprechen zwei rückläufige Quartale am Stück eben nicht nur einer kurzen Schwächephase. Die Nachrichtenagentur Associated Press betont jedoch, dass es sich dabei nicht um eine offizielle Definition handle, sondern um eine Faustregel - mit zugegebenermaßen hoher Treffersicherheit. Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Michael Strain vom American Enterprise Institute rutschte die US-Wirtschaft die letzten 10 Male, in denen in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen ein Rückgang verzeichnet wurde, in eine Rezession.
Messwert Wirtschaftsauslastung
Wirtschaftsforscher in Deutschland definieren eine Rezession hingegen anhand der Wirtschaftsauslastung. Dazu wird das Produktionspotenzial bemessen, für dessen Berechnung davon ausgegangen wird, dass alle derzeit bestehenden Arbeitskräfte und Betriebsmittel einer Volkswirtschaft optimal eingesetzt werden. In Krisensituationen ist dies jedoch nicht der Fall: Es wird unter dem Potenzial produziert, was die Wirtschaftsleistung abschwächt. Nimmt diese Unterauslastung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zu, ist bei Wirtschaftsinstituten von einer Rezession die Rede.
US-Definition unterscheidet sich
In den USA wird eine Rezession hingegen vom National Bureau of Economic Research (NBER) ausgerufen. Die Forschungseinrichtung spricht nicht von zwei aufeinanderfolgenden Quartalen, sondern von "einem signifikanten Rückgang der Wirtschaftstätigkeit, der sich über die gesamte Wirtschaft erstreckt und länger als ein paar Monate dauert". Als Schlüsselfaktoren gelten, für das NBER, Daten zu Realeinkommen abzüglich staatlicher Transfers, Beschäftigung, verschiedene Formen realer Konsumausgaben und Industrieproduktion. Gemäß einem Schreiben der US-Regierung habe die Organisation in den vergangenen Jahrzehnten die Bereiche Einkommen und Beschäftigung in der Bewertung zwar stärker gewichtet, feste Schwellenwerte existieren jedoch nicht.
Da Konjunkturdaten außerdem erst verzögert veröffentlicht werden, spricht das NBER erst von einer Rezession, wenn diese bereits begonnen hat. Laut Associated Press war dies in der Vergangenheit bereits erst bis zu einem Jahr später der Fall.
Gibt es Unterschiede in den Rezessionen?
Moderne Rezessionen sind aufgrund von Fortschritten in der Wirtschaftspolitik und strukturellen Veränderungen kürzer. Instrumente wie die automatische Arbeitslosenversicherung, die Einlagensicherung und transparente Wirtschaftsdaten ermöglichen es den politischen Entscheidungsträgern, schnell zu handeln und langanhaltende Konjunkturabschwünge zu verhindern. Darüber hinaus verringert die Verlagerung von der Fertigungsindustrie hin zu dienstleistungsorientierten Volkswirtschaften die durch Lagerbestände verursachten Schocks, die früher zu langanhaltenden Rezessionen führten.
Politische Entscheidungsträger stützen sich auf Instrumente wie Arbeitslosigkeitsindikatoren, darunter auch Langzeitarbeitslosenquoten, um die Schwäche des Arbeitsmarktes und die wirtschaftliche Lage während einer Rezession zu beurteilen. Diese Indikatoren helfen dabei, grundlegende Schwächen zu erkennen, die in den Schlagzeilen möglicherweise übersehen werden, und ermöglichen so gezielte Maßnahmen. So lassen sich beispielsweise durch die Erfassung der Langzeitarbeitslosigkeit Bereiche identifizieren, in denen Unterstützung erforderlich ist.