Sektor-Rotation im zweiten Halbjahr?
Wegen verhaltener Gewinnaussichten von Technologieaktien sollten allmählich andere Titel ins Rampenlicht treten, um den Aktienindices weiter Schub verleihen zu können.
Das Wachstum von Technologiewerten ist seit Beginn der jüngsten Börsenrally im Oktober 2022 zu einem Glaubenssatz der Anleger geworden. Angesichts der wenig inspirierenden Gewinnaussichten für den Rest des Jahres 2024 werden jedoch wahrscheinlich andere Marktsegmente benötigt, um die Kurse weiter steigen zu lassen. Während das Gewinnwachstum der "Big Tech"-Unternehmen voraussichtlich drastisch abnehmen wird, wird erwartet, dass Branchen wie Werkstoffe und Gesundheitswesen bis zum vierten Quartal ein Gewinnwachstum von etwa 25 Prozent verzeichnen werden, nachdem sie im ersten Quartal noch Rückgänge von 20 Prozent oder mehr erlitten hatten.
Eine Rotation scheint bereits im Gang zu sein. Bei der Bank of America haben Kunden in der Woche bis zum 31. Mai fast 2,2 Milliarden US-Dollar aus Technologieaktien abgezogen, der zweithöchste Wert in den Daten der Bank seit dem Jahr 2008. Die größten Kundenzuflüsse gingen in den Nicht-Basiskonsumgütersektor, der in diesem Jahr um 1,9 Prozent zulegte. Damit ist er bisher der zweitschlechteste Performer im S&P 500.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Investoren Big Tech aufgeben sollten. Der S&P 500 ist in diesem Jahr um zwölf Prozent gestiegen, und seine fünf größten Aktien – Microsoft, Apple, Nvidia, Alphabet und Amazon – sind für mehr als die Hälfte dieses Gewinns verantwortlich, da die Märkte vom Boom der Künstlichen Intelligenz (KI) beeindruckt sind. Dabei haben diese fünf Unternehmen im Jahr 2024 zusammen einen Marktwert von 2,9 Billionen US-Dollar geschaffen. Dies hat dazu beigetragen, dass die Informationstechnologie mit einer Gewichtung von 31 Prozent der mit Abstand größte Sektor im S&P 500 ist. Die nächstfolgenden Gruppen sind Finanzen und Gesundheitswesen mit rund zwölf Prozent. Es ist nicht so, dass das Wachstum der Technologieunternehmen stoppt, sondern lediglich das Tempo ihrer Gewinnausweitung nachlässt. Nach drei aufeinanderfolgenden Quartalen mit einem Gewinnwachstum von mehr als 44 Prozent wird erwartet, dass sich die Dynamik der fünf größten S&P-Unternehmen im zweiten Quartal auf 29 Prozent drosselt, bevor sie sich in der zweiten Jahreshälfte im Zehnerbereich einpendelt.
Sich auf einen Aufschwung durch den Rest des Marktes zu verlassen, birgt allerdings auch Risiken. Beispielsweise sind die Margen im Gesundheitswesen trotz der Beliebtheit von Arzneimitteln gegen Fettleibigkeit unsicher, da die Hersteller immer noch mit den Vorwürfen großer Pharmakonzerne zu kämpfen hat. Unterdessen wird das Gewinnwachstum im Nicht-Basiskonsumgütersektor nur von einer Handvoll Unternehmen vorangetrieben, darunter Amazon und der Baumarkthändler Home Depot.
Das bedeutet, dass mehr Sektoren ein Gewinnwachstum verzeichnen müssen, insbesondere die Nicht-Basiskonsumgüter und solche, die eng vom Gang der Wirtschaft abhängen, wie Industrie und Finanzen. Jede dieser Gruppen birgt jedoch eigene Risiken.
Am Ende könnte der Erfolg der Börse im Jahr 2024 immer noch direkt oder indirekt auf Big Tech zurückzuführen sein. Da KI voraussichtlich einen transformativen Einfluss auf viele Branchen haben wird, könnte die technologische Entwicklung auch auf andere Teile der Wirtschaft übergreifen und diese Anteile auf diesem Weg erhöhen.