Der Hebeleffekt in Finanzprodukten

Wer richtig Geld verdienen will, muss sein Investment hebeln. Eine Aussage, die im Grunde stimmt, jedoch die Komplexität gehebelter Investments vollkommen außer Acht lässt. Ein Hebel kann nicht nur die Rendite ins unermessliche steigen lassen, sondern auch das Risiko und damit die einhergehenden Verluste. Aus diesem Grund nähern wir uns der Thematik gehebelter Finanzinstrumente anhand einer Reihe von Fragen.


Es gibt keine risikolose Geldanlage. Wenn wir etwas seit dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers gelernt haben, dann das. 
Es gibt zwar einige Möglichkeiten um das Risiko auf ein geringstmögliches Maß zu beschränken, jedoch sind im Gegensatz dazu nach oben hin praktisch keine Grenzen gesetzt. 
Die Finanzwirtschaft hat im Laufe der Zeit eine beachtlich breite Palette an Produkten mit den unterschiedlichsten Risiko- und Renditeausprägungen entwickelt. Wer dabei etwa an risikoreiche Investments denkt, hat möglicherweise Anlagen in Schuldverschreibungen von höchst ausfallgefährdeten Emittenten im Kopf. Doch selbst das damit verbundene Risiko kann noch locker übertroffen werden. Kann in einem solchen Fall höchstens das eingesetzte Kapital verloren gehen, sind am Markt durchaus Instrumente erhältlich, die Verluste zulassen, welche über das zuvor investierte Kapital hinaus gehen. Solche Instrumente, auch Hebelprodukte genannt, könnten zur Folge haben, dass der Investor plötzlich mit ungeplanten Zu- bzw. Nachzahlungen konfrontiert wird. In der Regel sind solche Instrumente dem Kleinanleger allerdings nicht oder nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zugänglich.
Eine der wohl bekanntesten Möglichkeiten, Renditechancen und zugleich Risiken in ungeahnte Höhen zu treiben, stellt der Hebeleffekt, auch unter dem englischen Begriff „leverage“ bekannt, dar. Aufgrund der Auswirkungen auf das Risiko/Renditeprofil des jeweiligen Produktes zählt er wohl zu den an den schwersten verständlichen Mechanismen in Finanzprodukten überhaupt. 

Was ist ein Hebeleffekt? Im Grunde führt die Hebelwirkung dazu, dass Kursbewegungen eines Basiswertes vervielfacht werden und damit überproportionale Gewinne möglich werden. Gleichzeitig, und das ist wohl der entscheidende Punkt, steigt aber auch das Risiko mindestens ebenso deutlich an. Bereits kleinste ungünstige Entwicklungen in der Kursbewegung könnten zum Verlust von wesentlichen Teilen des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust führen. 

In welchen Produkten findet man einen Hebel? Eine Aktie oder eine einfache Anleihe, auch Plain Vanilla Produkte genannt, weisen niemals einen Hebel auf. Vielmehr ist dieser ausschließlich in Produkten anzutreffen, deren Wert sich von einem dritten Wert, auch Basiswert genannt, ableitet. Damit kommen unter anderem Investmentzertifikate, ETNs und ETCs sowie Optionsscheine und bestimmte Fonds in Frage. Aber Achtung: nicht jedes dieser Produkte hat auch automatisch einen eingebauten Hebel. In manchen Fällen weist der Produktnamen, etwa durch den Zusatz „2x“ oder „3x“, darauf hin, dass ein Hebel vorhanden ist, in bestimmten Fällen ist es abhängig von der Produktart, beispielsweise haben Turbozertifikate per Definition immer einen Hebel. In anderen Fällen kann die entsprechende Information nur der Produktbeschreibung bzw. dem Prospekt entnommen werden. In jedem Fall ist das genaue durchlesen der Instrumentenmerkmale unerlässlich, denn tatsächlich treiben bestimmte Ausgestaltungen selbst ausgewiesenen Finanzexperten den Schweiß auf die Stirn. 

Wie funktioniert ein Hebel? Am einfachsten lässt sich der Effekt durch einen Vergleich zwischen einem Investment in eine Aktie und einem Investment in eine Call-Option auf diese Aktie erklären. Ein Anleger kauft eine Aktie des Unternehmens XYZ, aktuell liegt der Preis bei 12 Euro. Zugleich erwirbt er eine Option, welche ihm die Wahl gibt diese Aktie in einem Jahr zu einem Preis von 12 Euro zu kaufen. Eine solche Kaufoption wird Call-Option genannt. Für die Option, also das Wahlrecht, das Wertpapier um 
12 Euro im darauffolgenden Jahr zu kaufen, bezahlt der Anleger 1,50 Euro. Die Option weist einen Hebel von 10 auf, was bedeutet, dass der Anleger von einem steigenden Aktienkurs XYZ im Verhältnis von 1 zu 10 profitiert. Nach einem Jahr ist der Aktienkurs um 5 Prozent auf 12,60 Euro gestiegen. Der Anleger hat also bei seinem Investment in die Aktie einen Gewinn von 0,60 Euro gemacht. Zugleich steigt der Wert der Option durch den 10-fachen Hebel um 50 Prozent. Die Option ist somit nun 2,25 Euro wert. Seine Option verkauft der Anleger nun wieder und streicht einen Gewinn von 0,75 Euro ein und hat somit gegenüber dem Kaufkurs von 1,50 Euro einen Gewinn von 50 Prozent gemacht. Der Anleger hat also bei einem Kapitaleinsatz von 12 Euro 0,60 Euro hinzugewonnen. Hat er sich für die Call-Option entschieden, so wurde aus einem Kapitaleinsatz von 1,50 Euro ein zusätzlicher Gewinn von 0,75 Euro. Nehmen wir nun an, der Wert der Aktie ist nach einem Jahr um 5 Prozent auf 11,40 Euro gefallen, dann hätte sich der Wert der Option um den Faktor 10 und damit um 50% verringert. Von den anfänglichen 1,50 Euro wären plötzlich nur noch 0,75 Euro übrig. Man stelle sich nun vor, dass der Anleger anstelle einer einzigen Option, gleich 10.000 gekauft hätte. Von den anfänglichen 15.000 Euro wären plötzlich nur noch 7.500 übrig.
Wohlgemerkt handelt es sich hierbei um ein stark vereinfachtes Beispiel, in der Realität sind Hebelmechanismen und ihre Konsequenzen oft wesentlich schwerer zu durchblicken, gerade wenn man sich vor Augen führt, dass es Instrumente mit Hebeln von größer 100 gibt. Ebenso gibt es Instrumente mit dynamischen Hebeln, deren Auswirkungen sich also während der Laufzeit und abhängig von bestimmten Parametern ändern können.