Die Südseeblase

Nachdem in Holland des 17. Jahrhunderts das Platzen der Tulpenblase für großen Schaden unter den meisten Beteiligten gesorgt hatte, kam es nur einige Jahrzehnte später zu einem weiteren Finanzskandal, dieses Mal allerdings in der aufstrebenden Seemacht England. Dort hatte sich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein florierender Wertpapierhandel etabliert. Nicht nur exklusive Kreise, wie beispielsweise der Hochadel, tätigten an der Londoner Wertpapierbörse ihre Geschäfte, auch breite Bevölkerungsschichten, das nötige Kleingeld selbstverständlich vorausgesetzt, beteiligten sich am Handel von Wertpapieren. Zu diesem Zweck gab es seit ungefähr 1700 sogar eine erste Nachrichtenagentur, die für die Verbreitung von Kursen und Informationen zu den wichtigsten Börsenplätzen sorgte. Gute Voraussetzungen für einen Börsenboom also. 
Hinzu kam, dass die britische Krone ihr Weltreich nicht alleine aus eigener Kraft erschließen konnte und sich daher schon früh auf private Gesellschaften stützte. Diese ließen sich für die zum Teil erheblichen Risiken, die sie mit dieser Aufgabe übernahmen, Handelsmonopole einräumen. Wenn man so will also eine Art frühe Privat-Public-Partnership. Schon alleine aus dem Grund, dass der Staat mitmischte, war entsprechend viel Geld im Spiel. 

Wie bei praktisch jeder nachfolgenden Börsenhause nährte sich die Südseeblase, im Englischen unter dem Namen South Sea Bubble bekannt, von der Faszination für neue Geschäftsideen und –feldern und der Vorstellung von utopischen Gewinnmöglichkeiten. In diesem konkreten Fall ging es um den Handel mit neuen exotischen Produkten, Sklaven und Rohstoffen und im Mittelpunkt stand eine erst 1711 gegründete Gesellschaft, die South Sea Company. Auch die britische Regierung hielt Anteile an der neuen Gesellschaft. Besonders große Erwartungen hatte man dahingehend, dass Spanien das Monopol auf den sehr lukrativen Sklavenhandel abspenstig gemacht werden könnte. Allerdings zerschlugen sich diese Hoffnungen 1713, als im sogenannten „Frieden von Utrecht“ die spanischen Privilegien im Großen und Ganzen bestehen blieben. Auch die Geschäfte in Südamerika, die erstmals 6 Jahre nach Unternehmensgründung aufgenommen wurden, lieferten nur bescheidene Ergebnisse. Erfolge wurden zunächst auf einem ganz anderen Gebiet erzielt: Die britische Regierung stand zum damaligen Zeitpunkt stark unter Druck, hatte sich angesichts eines aufreibenden Krieges mit Frankreich doch ein Schuldenberg von gewaltigen Ausmaßen angehäuft. Anfang 1720 übernahm die South Sea Company Staatsschulden in Höhe von 9 Millionen Pfund von der Bank of England und handelte dafür Zinsen in Höhe von 6 Prozent pro Jahr aus. Zeitgleich mit diesem Geschäft, ließ man sich von staatlicher Seite bestätigen, eine Kapitalerhöhung vornehmen zu können und neue Aktien auszugeben. Wenig später wurde mit der Übernahme zusätzlicher Staatsschulden eine weitere Kapitalerhöhung beschlossen. Für ihre Disponibilität wurde der Gesellschaft eine monopolartige Stellung im Handel mit der Südsee, so nannte man damals Südamerika, und noch unentdeckte Gebiete eingeräumt. Nur wenige mahnende Stimmen, unter anderem seitens eines gewissen Lord North and Grey bei der Abstimmung des Parlaments zum Südseegesetz, hielten das Unterfangen für riskant und als spekulationstreibend. Dennoch unterschrieb der König das Gesetz wenig später. 

Mit den eingeräumten Privilegien nahmen auch die Erwartungen seitens der Öffentlichkeit in den Erfolg der Aktivitäten der South Sea Company deutlich zu. Dies spiegelt auch das Niveau des Aktienkurses wider. Lag dieser Anfang des Jahres 1720 bei knapp 120 Pfund und damit nur leicht über dem Nennwert von 100 Pfund, schoss der Kurs in der Folge um das beinahe neunfache nach oben und erreichte im Juli desselben Jahres 950 Pfund. Diese Entwicklung hatte sich bereits bei der vorhergehenden Kapitalerhöhung abgezeichnet, konnte doch nur ein Bruchteil der Wertpapierorder befriedigt werden. Wohlgemerkt, bis dahin hatte die Gesellschaft noch keinen Penny verdient. Insgesamt wurden die Risiken der Unterfangen der Gesellschaft komplett ausgeblendet. Außerdem sprangen Trittbrettfahrer auf den Spekulationszug auf und platzierten in kurzer Zeit Anteile an Gesellschaften mit zum Teil utopischen Geschäftsmodellen an den Wertpapierbörsen. Zu diesem Zeitpunkt war gewichtigen Anteilseignern, darunter auch der britische König, bereits klar, dass die erwarteten Renditen niemals erzielt werden konnten und begannen möglichst diskret ihre Anteile zu verkaufen. Das Parlament versuchte mit einem neuen Gesetz, dem sogenannten „Bubble Act“, das hohe Niveau des Aktienkurses zu sichern. Und tatsächlich konnte sich der Kurs einige Wochen halten. Zusätzlich befeuert wurde die Blase durch Geld, das von Investoren aus Frankreich abgezogen worden war. Dort zeichnete sich nämlich das Platzen einer Spekulationsblase rund um die Mississippi Kompanie ab. 

Als schließlich am 1. August 1720 die erste Dividende ausgeschüttet werden sollte, dafür aber die Mittel nicht vorhanden waren, versuchten die ersten Anleger ihre Anteile loszuschlagen. Es kam zu einem Dominoeffekt: nach dem 18. August war der Aktienkurs der South Sea Company auf 200 Pfund gefallen, im Dezember desselben Jahres näherte er sich 100 Pfund an. 
In der Folge kam es in England zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung, Großinvestoren hatten zum Teil hohe Beträge verloren. Geld, das nun an anderer Stelle fehlte. Leitende Mitarbeiter der South Sea Company wurden juristisch für die Blase zur Verantwortung gezogen, die Gesellschaft existierte allerdings noch über 100 Jahre fort. Der Schuldendienst Großbritanniens für die, an die Gesellschaft weitergegebenen Staatsschulden dauerte noch viel länger an. Laut einer Recherche der New York Times bezahlte Großbritannien noch im Jahr 2014 Zinsen auf die damals aufgenommen Schulden.